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DIE KULTURTECHNIKER
Leipziger Volkszeitung // 08.02.2000
Gastspiel zu Poe im LOFFT
Faszinierender Kosmos aus Düsternis & Klang
Folgt man der Auffassung, dass Gastspiele in der Regel Glücksspiele sind, dann war der Sonntag im LOFFT ein Hauptgewinn. Zwar nicht für die Veranstalter, die gut und gerne dreimal so vielen Zuschauern Einlass gewährt hätten, wohl aber für alle, die sich von Edgar Allen Poe und seinem ?Fall des Hauses Ascher" angezogen fühlten.
Schauspieler Martin M. Hahnemann und Cellist Ralf Werner näherten sich dem Text zugleich mit Rezitation und Instrumentation. Im dunklen, von Ker-zenschein schwach erleuchteten Raum artikulierte Hahnemann gestochen und feingeistig überspannt.
Die Stärke der Textvorlage ist neben dem Grauen des Erzählers angesichts des fantasierenden Wahnsinns seines Kindheitsfreundes Roderick Ascher die formale Ebene: Gedrechseltes, Hochstilisiertes, anspruchsvolle dramatische Logik, lange Ketten von Beschrei-bungen und Selbstbeobachtungen - intellektuelle Dünnhäutigkeit pur. Und die wiederum lässt sich hervorragend musikalisieren. Unglaublich, mit welch einfachen elektro-akustischen Mitteln Ralf Werner eine kongeniale Atmosphäre zur stimmlichen Intensität Hahnemanns schuf. Verzerrung, Echo, Hall, Rhythmus, Harmonie, Melodie.
Hahnemann und Werner schufen aus Poes 20 Taschenbuch-Seiten einen Kosmos aus melancholischer Düsternis und prickelndem Grauen, aus Sprache und Klang. Durchgeistigt und doch handgreiflich wie eine Gänsehaut. Ein wunderbares Hörereignis - fast bescheiden, aber voller Kraft.
J. Seidel
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