>>Es war kalt, und auf dem Bahnhofsvorplatz standen fröstelnd ein paar Taxichauffeure: Sie hatten die Hände tief in die Manteltaschen vergraben, und diese vier oder fünf blassen Gesichter unter blauen Schirmmützen wandten sich mir für einen Augenblick zu; sie bewegten sich gleichmäßig wie Puppen, die an der Schnur gezogen werden. Nur einen Augenblick, dann schnappten die Gesichter in ihre alte Position zurück, dem Ausgang des Bahnhofs zugewandt.
Nicht einmal Huren waren um diese Zeit auf den Straßen.
Irgendwo musste doch ein Café oder eine Kneipe offen sein oder eine von diesen Buden, gegen die ich zwar eine Abscheu habe, die mir aber lieber sind als die Wartesäle mit ihrem lauen Kaffee um diese Zeit und der flauen, aufgewärmten Bouillon.<<
Der Winklöffelfritze ist eine imaginäre Zugreise durch das Europa der Kriegsjahre, des Wiederaufbaus und des beginnenden Wohlstands.
Die Textfragmente von Heinrich Böll (1917 - 1985), dem Nobelpreisträger des Jahres 1972, erzählen u.a. von einer Liebesnacht in Ungarn, vom verregneten Irland mit seiner sympathischen Langsamkeit, von wütenden Kulturfunktionären der Ex-DDR und den ersten "Gastarbeitern" der Bonner Republik.
Bahnhöfen und Züge werden zu Spiegelbildern der Zeitgeschichte: die quälende Ungewissheit der Eisenbahntransporte im Krieg, das ungeduldige Warten auf die Geliebte im Frieden, der christliche Geizkragen, der dem lädierten Clown keine 1.Klasse spendiert...
Bölls zeitlos-elementare Sprache pendelt zwischen Schwermut und Wortwitz, zwischen tiefer Trauer und verspieltem Humor.
Sie wird stimmungsvoll ergänzt durch zahlreiche Projektionen von Schwarzweiß-Fotos seines Kölner Zeitgenossen Chargesheimer (1924 -1971), dem avanciertesten deutschen Fotografen seiner Zeit.
Der Winklöffelfritze enthält Textpassagen aus:
"Der Zug war pünktlich" (1949) "An der Angel" (1950)
"Aufenthalt in X" (1950) "Und sagte kein einziges Wort" (1953)
"Irisches Tagebuch (1954-57) "Billiard um halb zehn" (1959)
"Als der Krieg zu Ende war" (1962) "Ansichten eines Clowns" (1963)
"später herz später" (1967) "Er kam als Bierfahrer" (1969)
"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1974)
Im Frühjahr 2001 waren DIE KULTURTECHNIKER mit "Der Winklöffelfritze - Bahnhofsszenen im Werk Heinrich Bölls" im Auftrag des Goethe Institutes Budapest auf Ungarn-Tournee:
23.04. 19.00 Szeged, Universität - Audimax des Germanistischen Institutes
24.-28.04. Musiktheater-Workshop mit Studentinnen und Studenten der Universität Szeged
03.05. 19.00 Debrecen, Universität
08.05. 19.00 Budapest, Landesbibliothek für Ausländische Literatur
Idee, Text- und Bildmontage, Komposition: Ralf Werner
Premiere: 23.07.1999 // Bahnhof Köln-Deutz [im Auftrag der DB AG]
Dauer: 90 min, keine Pause
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