Der junge Herr vom Team Ascher entschuldigt sich beim verehrten Publikum, das eben prächtig gespiesen hat, vor dem Eintritt, in das ältliche Gebäude, in das schon lange keiner mehr einen Fuss hineingesetzt haben soll. Kein Wunder, sind die Iange Zeit verschlossenen Räumlichkeiten in einen staubigen Dunstschleier getränkt. In der Tat: Das Haus Ascher macht einen ziemlich erbärmlichen Eindruck - so sehr, dass sich möglicherweise ein Teil der Insektenwelt so richtig wohl darin fühlt, nicht aber die menschliche Spezies. Zumindest nicht der normierte Durchschnittsmensch.
Doch Edgar Allen Poe führt uns in seiner Erzählung ?Der Fall des Hauses Ascher" nicht zu einer Normkreatur, sondern zum hypersensiblen Roderick, einem versponnenen, den okkulten Wissenschaften und eigentümlichen literarischen und musikalischen Improvsationen sich hingebenden Menschen, der sein Dasein an der Grenze zum Wahnsinn fristet. Von Roderick, seinem krankhaften und krankhaft-hypochondrischen Wesen erfahren wir im Hause Ascher, das in Tat und Wahrheit die alte Dorfkirche in Kleinhüningen ist, über einen ehemaligen Jugendfreund.
Dieser sieht sich durch ein Schreiben Rodericks dazu veranlasst, seinen Freund, der sich in grosser Not befindet und zur Lebensunfähigkeit getrieben wird, beizustehen. Angesagt ist gruselige Spannung aufgrund einer textlich dicht gestalten, krankhaften Person.
Erzählt wurde diese Geschichte am Freitagabend in passender Atmosphäre von den beiden "Kulturtechnikern" Martin Hahnemann und Ralf Werner.
Dies in einer Verquickung von szenischer Lesung und experimenteller Musik. Hahnemann las Poes Text in zunehmendem rhythmischen Einklang mit den musikalischen Beiträgen des Cellisten und Liveelektronikers Werner. Dieser hielt sich anfänglich mit seinen via Echogerät vervielfachten Geräuschkulissen und Melodien noch zurück, bearbeitete jedoch sein Instrumentarium analog zur dramatischen Steigerung von Poes Schreckensgeschichte mit einer zunehmenden Intensität. Text und Musik waren schliesslich ganzheitlicher Ausdruck des Wahns, in den Roderick sowie der Erzähler verfallen.
Dass das Publikum überhaupt in den Genuss dieser literarisch-musikalischen Performance kam, ist einer Gruppe von Kleinhüninger Kulturtäterinnen und -tätern zu verdanken, die sich unter dem Namen "Soirée 21" vorgenommen haben Schauplätze Kleinhüningens im kulturellen Kontext zu beleben. Ein durchaus lobenswertes Unterfangen, ja ein Glücksfall für ein Quartier, das mit kulturellen Aktivitäten nicht gerade sonderlich bedient ist und auch sonst zu den eher weniger priviligierten Quartieren dieser Stadt gehört. Bleibt zu hoffen, dass der Atem und der Elan dieser Gruppe, die quasi ehrenamtlich arbeitete, lange anhalten wird. Werden weitere Anlässe mit der in der Poe-Performance erlebten Qualität angeboten - so ist es für mehrere Abende im kommenden Jahr vorgesehen -, so dürften auch die zukünftigen Veranstaltungen mit einem ebenso beachtlichen Publikumsaufmarsch belohnt werden.
Christian Fink
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