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Mommsens Block
Elektronisches Musiktheater für: 1 Schauspieler, 1 Sängerin, Tabla, elektrisches Cello, elektronisches Klangdesign und Videoloops
nach einem Text von Heiner Müller
Komposition: Ralf Werner

Ralf Werner
Violoncello & Live Elektronik
Raul Sengupta
Tabla & Percussion
Elke Bartholomäus
Gesang
Martin M. Hahnemann
Schauspiel

Dirk Groenewold
Videosamplings


Der Anlass
Dem in Garding/Holstein geborenen, in Kiel aufgewachsenen und später an der Berliner Humboldt-Universität lehrenden Historiker Theodor Mommsen wurde am 10.12.1902 als erstem Deutschen der Literaturnobelpreis verliehen. Dieses Datum erfährt in Kürze ebenso wie Mommsens Todestag am 01.11.1903 sein 100-jähriges Gedenken. Aus diesem Anlass werden von Ende 2002 bis Ende 2003 vor allem in Kiel und Berlin zahlreiche Veranstaltungen zum Mommsen-Jahr stattfinden.

Der Text
Als Heiner Müller 1993 mit seinem Gedicht Mommsens Block an die Öffentlichkeit tritt, rührt er an ein wissenschaftshistorisches Rätsel, das durch den zeitgeschichtlichen Umbruch in Deutschland und Osteuropa reaktiviert wurde: Warum hat der Historiker und Jurist Theodor Mommsen, der 1901 den Literaturnobelpreis für seine römische Geschichte erhielt, den entsprechenden Band über die Kaiserzeit nie geschrieben? Mommsen , wohnhaft Machstraße Acht in Berlin-Charlottenburg, der ?einen Staat lang? durch Karl Marx von seinem Sockel vor der Humboldt-Universität vertrieben wurde.
Mommsens Block handelt jedoch mindestens genauso vom Löschungsprojekt, mit dem die Bundesrepublik die DDR-Geschichte auszustreichen oder zumindest zu klittern sucht. Der Bildersturm richtete sich zuallererst gegen die steinernen Zeugnisse politischer Ikonografie.
?Das beeindruckendste Dokument der Schlußkrise der DDR-Literatur,... so wuchtig wie sein Titel: Mommsens Block? (Gustav Seibt in der FAZ)
Nach dem Zusammenbruch des politischen Systems ?Sozialismus? hatte Müller ? ?der Kapitalismus langweilt über alle Maßen? - kaum noch Dramen verfaßt. Der Dichter wird zum erfolgreichen Regisseur - und bleibt Lyriker. In Mommsens Block wird indirekt sein eigenes Schweigen als Dramatiker von ihm selbst thematisiert.

?Gestern beim Essen in einem Nobelrestaurant
In der wieder bereinigten Hauptstadt Berlin
Zwei Helden der Neuzeit speisten am Nebentisch
Lemuren des Kapitals Wechsler und Händler
Und als ich ihrem Dialog zuhörte gierig
Nach Futter für meinen Ekel am Heute und hier:
[...]
Tierlaute Wer wollte das aufschreiben
Mit Leidenschaft Haß lohnt nicht Verachtung läuft leer
Verstand ich zum erstenmal Ihre Schreibhemmung
Genosse Professor vor der römischen Kaiserzeit
Der bekanntlich glücklichen unter Nero [...]?
(Bildmontage: Ulrike Geitel)

Weil der Berliner Heiner Müller in Mommsens Block einerseits über den in Berlin lange wirkenden Historiker und andererseits über den deutsch-deutschen Umbruch schreibt, ist Berlin, die (ehemals) geteilte Stadt vor allen anderen der Ort, wo dieser Nachwende-Müller aufgeführt werden muß:
?Heiner Müllers Texte, die sich danach zu sehnen schienen, in Basalt gehauen zu werden?.
Mommsens Block ist ein Berlin-Block.

Die Produktion
DIE KULTURTECHNIKER fanden in der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein einen ersten Partner, um ihren spezifischen Ansatz der Literaturvertonung kombiniert mit Heiner Müllers Text im Mommsen-Gedenkjahr zu präsentieren.
Die bisherigen Erfahrungen mit Vertonungen von Heiner Müller Texten (u.a. Bildbeschreibung 2001) können vorzüglich genutzt werden, um die eigenen Formen der elektronischen Lesekonzerte und des elektronischen Musiktheaters in den zugleich historischen und zeitgenössischen Kontext einzufügen.
Ebenso wie sich die durch ein Jahrhundert getrennten Literaten Mommsen und Müller begegnen, begegnen sich auf der Bühne archaische Instrumente und moderne Elektronik, Jazz-Gesang und zeitgenössische Bühnenkunst, Rückgriffe auf die Antike und aktuelle Videoästhetik.



Premiere: 13.06.2003 // Casamax Theater, Köln
Textrechte Henschel-Bühnenverlag
Komposition & Ablaufstruktur Ralf Werner
Regie Sabine Bahnsen (Burghofbühne Dinslaken/ Landestheater Wesel)
Videoschnitt & Projektionstechnik Dirk Groenewold (Wuppertal)
Produktionsleitung & Management & Koordination der Öffentlichkeitsarbeit
Ralf Werner / Ulla Wätzig

Förderer Stiftung Kunst & Kultur NRW // Mommsen-Initiative & Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein
Mommsens Block ist eine Auftragsproduktion der Mommsen-Initiative Schleswig-Holstein anläßlich des Mommsen-Gedenkjahres 2002/03.




Ensemble

Schauspiel Martin M. Hahnemann (Berlin)
Violoncello & sampler & Live Elektronik Ralf Werner (Köln)
Jazz-Gesang Elke Bartholomäus (Köln)
Tabla & Percussion Raul Sengupta (Köln)
Videoprojektionen Dirk Groenewold (Wuppertal)

Pressespiegel
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